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17.02.2017

Möglichkeiten und Grenzen vorgeburtlicher genetischer Diagnostik: G-BA bringt Entscheidungshilfe für werdende Eltern auf den Weg

Werdende Eltern sollen künftig besser dabei unterstützt werden, im Rahmen der ärztlichen Schwangerschaftsvorsorge eine informierte Entscheidung darüber zu treffen, welche Untersuchungen auf genetisch bedingte Erkrankungen für sie in Frage kommen. Mit einer entsprechenden Beauftragung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) am 16.02.17 in Berlin ein solches Informationsangebot auf den Weg gebracht. 

Aufgrund der Tatsache, dass vorgeburtliche genetische Untersuchungen ausschließlich mit Zustimmung der schwangeren Frau durchgeführt werden dürfen, ergebe sich umfassender ärztlicher Aufklärungs- und Beratungsbedarf, heißt es in der Pressemitteilung des G-BA vom selben Tag dazu. In einer speziell auf diese Themen ausgerichteten Versicherteninformation solle vor allem auch deutlich werden, dass neben dem Recht auf Wissen und Teilhabe am wissenschaftlichen Fortschritt bei der vorgeburtlichen genetischen Diagnostik gleichermaßen ein Recht auf Entscheidungsfreiheit und Nichtwissen besteht.

Diese Beauftragung steht im Zusammenhang mit dem im August 2016 begonnenen und voraussichtlich noch bis in das Jahr 2019 andauernden Bewertungsverfahren der nicht-invasiven Pränataldiagnostik (NIPD) zur Bestimmung des Risikos von autosomaler Trisomie 13, 18 und 21 mittels molekulargenetischer Tests in den engen Grenzen einer Anwendung bei Risikoschwangerschaften. In dem gemeinsam von den unparteiischen Mitgliedern des G-BA, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und dem GKV-Spitzenverband beantragten Bewertungsverfahren soll geprüft werden, ob und wie im Vergleich zu bisher zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erbringbaren Untersuchungen wie der invasiven Chorionzottenbiopsie (Biopsie der Plazenta) bzw. Amniozentese (Fruchtwasseruntersuchung), ein nicht-invasiver molekulargenetischer Test bei Risikoschwangerschaften eingesetzt werden kann. In dem Antrag sei besonders großer Wert darauf gelegt worden, dass werdende Eltern im Umgang mit dem verfügbaren genetischen Wissen dabei unterstützt werden, eine informierte Entscheidung treffen zu können.

„Eine qualifizierte und gut verständliche Information soll werdenden Eltern dabei helfen, ihre ganz persönlichen Abwägungen vorzunehmen und ihre Entscheidung zu treffen, welche nach den Mutterschafts-Richtlinien verfügbaren Untersuchungen auf genetisch bedingte Erkrankungen sie in Anspruch nehmen und welche nicht“, sagte Dr. Harald Deisler, unparteiisches Mitglied des G-BA und Vorsitzender des Unterausschusses Methodenbewertung, am 16.02.17 in Berlin. „Die Beauftragung der Versicherteninformation greift in keiner Weise der Entscheidung des G-BA zu den molekulargenetischen Tests für die nicht-invasive Pränataldiagnostik vor. Die gewählte Vorgehensweise soll sicherstellen, dass der für das Verfahren gesetzlich vorgeschriebene Rahmen von drei Jahren einschließlich der Erstellung der Versicherteninformation als zentralem Bestandteil eingehalten werden kann. Je nachdem, welchen Beschluss der G-BA nach Abschluss der Beratungen zu diesen molekulargenetischen Tests fasst, wird die Versicherteninformation angepasst.“

Zum Hintergrund

Mit Schreiben vom 4. Juli 2016 haben der unparteiische Vorsitzende, Prof. Josef Hecken, die unparteiischen Mitglieder Dr. Regina Klakow-Franck und Dr. Harald Deisler sowie die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der GKV-Spitzenverband die Bewertung der NIPD zur Bestimmung des Risikos autosomaler Trisomien 13, 18 und 21 mittels eines molekulargenetischen Tests für die Anwendung bei Risikoschwangerschaften im Rahmen der Mutterschafts-Richtlinien gemäß § 135 Absatz 1 SGB V beantragt. Das Beratungsverfahren wurde am 18. August 2016 eingeleitet; am 26. Januar 2017 wurde dem IQWiG der Auftrag erteilt, eine Evidenzbewertung als Grundlage für die späteren Beratungen zu erstellen.

Entsprechend seiner Verfahrensregeln gibt der G-BA zu Beginn des Methodenbewertungsverfahren der Fachöffentlichkeit die Möglichkeit, zum angekündigten Beratungsgegenstand Einschätzungen abzugeben. Auch den Deutschen Ethikrat und die Gendiagnostikkommission wird der G-BA um Einschätzungen bitten. Auf der Website wird ein Fragebogen veröffentlicht, der als Grundlage dafür dienen soll.

Am 14.02.17 haben 20 Gruppen und Organisationen anlässlich der Tagung des Gemeinsamen Bundesausschusses am 16.02.17 zu nicht-invasiven pränatalen Tests (NIPT) eine gemeinsame kritische Stellungnahme abgegeben (siehe unten). Darin fordern sie den Stopp einer Aufnahme weiterer selektiver Untersuchungen in die Regelversorgung.

Ergänzende Informationen:

Beauftragung IQWiG: Erstellung einer Versicherteninformation über die bestehenden Möglichkeiten der Pränataldiagnostik gemäß Mutterschafts-Richtlinien (Mu-RL) sowie der Einbindung von Eckpunkten, die sich gegebenenfalls aus einer zukünftigen Änderung der Mu-RL ergeben
Beschlussdatum: 16.02.2017

Bekanntmachung und Einholung erster Einschätzungen: Nicht-invasive Pränataldiagnostik (NIPD) zur Bestimmung des Risikos autosomaler Trisomien 13, 18 und 21 mittels eines molekulargenetischen Tests für die Anwendung bei Risikoschwangerschaften im Rahmen der Mutterschafts-Richtlinien (Mu-RL)
Beschlussdatum: 26.01.2017

14.02.17: Protest: Keine Aufnahme weiterer selektiver Untersuchungen in die Regelversorgung!
Stellungnahme von 20 Gruppen und Organisationen anlässlich der Tagung des Gemeinsamen Bundesausschusses am 16.02.17 zu nicht-invasiven pränatalen Tests (NIPT).

11.02.2017: Beitrag zur aktuellen Diskussion: „Vorgeburtliche Diagnostik: Schritte auf dem Weg zur Eugenik“
Im Deutschen Ärzteblatt 114(6) vom 10.02.17 gibt es einen sehr lesenswerten Beitrag zum Thema „Vorgeburtliche Diagnostik: Schritte auf dem Weg zur Eugenik“.