23.04.2024
Rückblick: BVL-Tagung mit hochaktuellen Themen in Köln und neugewähltem Vorstand
„Die heutige Tagung liegt mitten in einer Phase von rasanten Entwicklungen und Entscheidungen im Bereich der Bioethik.“ So begrüßte die alte und neue Vorsitzende des Bundesverband Lebensrecht e.V. (BVL), Alexandra Maria Linder M.A., laut pressemitteilung vom 23.04.24 die über 120 Teilnehmer der diesjährigen Fachtagung zur Woche für das Leben am vergangenen Samstag in Köln. Die Fachtagung fand in Kooperation mit dem Katholischen Bildungswerk statt.
Als Beispiele nannte Linder dem Bericht zufolge die SoHO-Verordnung der EU von Herbst 2023, die Embryonen auf dieselbe Stufe stellt wie Blutplasma oder Gewebe, die fragwürdigen Arbeitsergebnisse der von der Bundesregierung eingesetzten Kommission zu § 218 StGB und die Aufnahme einer „garantierten Freiheit der Frau, eine freiwillige Schwangerschaftsunterbrechung vorzunehmen“, in die französische Verfassung.
Als erster Referent sprach der Erzbischof von Köln, Rainer Maria Kardinal Woelki, im großen Saal des Kölner Maternushauses. In seinem Vortrag mit dem Titel „Der Mensch ohne Gottesbezug“ skizzierte er verschiedene Denkmodelle, die den Menschen aus rein menschlicher Perspektive im Hinblick auf seine Identität, seine Rolle in der Welt und seine zwischenmenschlichen Beziehungen zu ergründen versuchen.
Im Ergebnis seien solche Modelle in der Regel mängelbehaftet oder unvollständig. Allein durch die Vernunft könne man die Menschenwürde zwar umfassend erkennen und schützen, doch bestehe immer die Möglichkeit, dass sie es nicht tut. Der Gottesbezug sei daher unabdingbar, wie es auch das neue vatikanische Dokument Dignitas infinita betone.
Dr. Susanne Ley von der Liga Ärzte in Ehrfurcht vor dem Leben verwies in ihrem Vortrag zur Bedeutung der Suizidprävention darauf, dass dieser Bereich von der Bundesregierung vernachlässigt werde. Während sich die Suizidzahlen bis 2020 fast halbiert hätten, seien sie 2022 erstmals wieder über 10.000 Fälle gestiegen. Eine Zulassung des assistierten Suizids, der derzeit ungeregelt und damit möglich sei, werde weder die Zahlen senken noch die Problematik entspannen, im Gegenteil. Ein Suizidhelfer sei zum Schluss gekommen, dass das Leben des Betroffenen keinen Lebenswert mehr habe, dabei sei dessen Situation ein Ausdruck höchster Not. Des weiteren, zitierte Dr. Ley den Medizinethiker Dr. Giovanni Maio, gebe es für den assistierten Suizid keine ärztliche Indikation.
Frau Mag. Susanne Kummer vom Wiener IMABE-Institut stellte das Ergebnis ihrer Studienanalyse zu möglichen psychischen Folgen für Frauen nach Schwangerschaftsabbruch vor. Eine Evidenz nach „Gold-Standard“ sei bei dieser Thematik nicht möglich. Von 14 analysierten Studien und Übersichtsarbeiten seien manche im Hinblick auf Studiendesign, Teilnehmerinnenzahl und -zusammensetzung dennoch sehr solide und aussagekräftig. Dazu gehöre die Studie des neuseeländischen Forschers Fergusson von 2013, die als Langzeitstudie eine klare Korrelation zwischen Abtreibung und psychischen Folgeerscheinungen herausarbeitet. Andere seien mangelhaft und daher kaum aussagekräftig. In diesen Bereich fiele die häufig zitierte Turnaway-Studie aus den USA, die belegen wolle, dass Frauen mit ihrer Abtreibung zufrieden seien.
Im Ergebnis, so Kummer, gebe es bisher keinen Nachweis dafür, dass eine Kausalität zwischen Abtreibung und psychischen Folgeerscheinungen existiert. Sehr wohl aber gebe es in vielen soliden Studien eine eindeutige Korrelation zu unter anderem deutlich stärkerem Suchtverhalten, höherer Suizidalität und Depressionen. Interessant sei auch, dass es keinen wissenschaftlichen Nachweis dafür gebe, dass Abtreibung für eine Frau irgendeinen psychischen Nutzen hat oder ihre psychische Gesundheit stabilisiert.
Das Schlussreferat hielt die Publizistin Birgit Kelle, die gerade ein Buch unter dem Titel „Ich kauf mir ein Kind“ veröffentlicht hat, zur sogenannten Leihmutterschaft. Sie zeigte anhand vieler Beispiele, Zahlen und Fakten, dass es hier in keiner Weise um das Wohl von Frauen oder gar Kindern geht, sondern vor allem um ein großes Geschäft: Der völlig ungeregelte, unkontrollierte, rein privatwirtschaftliche Weltmarkt für die so gestaltete Produktion von Kindern liege aktuell bei etwa 16 Milliarden Euro jährlich, mit stark steigender Tendenz. Die Opfer dieses Marktes seien die Kinder, deren Rechte, mögliche Folgen für ihr Leben und Psyche keine Rolle spielen würden, und die Frauen, die hohe gesundheitliche Risiken auf sich nehmen würden.
Auch das Narrativ einer „altruistischen“ Leihmutterschaft, bei der Frauen uneigennützig und selbstlos für nahe Verwandte Kinder austragen würden, entlarvte Kelle durch ihre Recherchen: Denn hier würden alle bezahlt, die Reproduktionsmediziner, die Vermittlungsagenturen etc. Lediglich die austragende Frau bekomme nichts – „übrigens ein Gender Pay Gap von 100 Prozent“ –, was den Charakter der Ausbeutung noch mehr verdeutliche.
Neuer Vorstand beim Bundesverband Lebensrecht
Am Tag zuvor, dem 19.04.24, fanden beim Bundesverband Lebensrecht turnusmäßig Neuwahlen statt. Nach vielen Jahren stellten sich Mechthild Löhr und Cornelia Kaminski nicht mehr zur Wahl. Sie wurden unter Würdigung ihrer Lebensrechts-Arbeit mit großem Dank verabschiedet.
Neben der einstimmigen Wiederwahl der seit 2017 amtierenden Vorsitzenden Alexandra Maria Linder M.A. wurden auch ihr Stellvertreter Prof. Dr. Paul Cullen (Ärzte für das Leben) sowie die weiteren Vorstandsmitglieder Elisa Ahrens (Stiftung Ja zum Leben), Dr. Georg Dietlein (Juristenvereinigung Lebensrecht), Andreas Düren (sundaysforlife), Albrecht Weißbach (Kaleb) und Susanne Wenzel (Christdemokraten für das Leben) einstimmig gewählt. Mit diesem größten Vorstand, den der Bundesverband Lebensrecht je hatte, wird der Verband seine Arbeit auf allen Ebenen weiter verstärken.
Als nächste Großveranstaltungen stehen die beiden Märsche für das Leben in Berlin und Köln am 21. September 2024 und der II. Leben.Würde-Kongress vom 09.–11.05.2025 auf dem Schönblick an.
Weitere Informationen:
BVL-Fachtagung 20.04.24: Grenzbereiche des Lebens – zwischen Anspruch und Wirklichkeit