13.01.2011
Künftig Euthanasie auch in Deutschland ?
Der Leiter des Deutschen Instituts für Palliative Care, Prof. Dr. med. Dr. h. c. Christoph Student, sowie Prof. Dr. jur. Thomas Klie, Jurist und Gerontologe der Ev. Hochschule Freiburg, protestieren dagegen, dass die durch Ärzte vermittelte Euthanasie künftig auch in Deutschland möglich werden soll.
„Was ändert das an den standesrechtlichen Rahmenbedingungen", fragen sie, „die jetzt geschaffen werden sollen?" Die ärztliche Beihilfe zum Suizid soll standesrechtlich möglich werden und künftig ohne Sanktionen durch die Ärztekammer erfolgen können. Welch problematischer Machtzuwachs für einige in der deutschen Ärzteschaft! Und was für eine Veränderung in der Arzt-Patient-Beziehung, wenn Wünsche nach Suizidbeihilfe an die Ärzte adressiert werden können.
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In einer Presseerklärung betonen die Profesorren:
Freiburger Professoren protestieren dagegen, dass die durch Ärzte
vermittelte Euthanasie künftig auch in Deutschland möglich werden soll
Freiburg, den 4. Januar 2011: Als „keine gute Nachricht für das Jahr 2011" bezeichneten der Arzt Christoph Student und der Jurist Thomas Klie heute die Ankündigung der Bundesärztekammer zur Veränderung des Berufsrechtes im Jahr 2011. Wie Ärztekammerpräsident Jörg-Dietrich Hoppe in den letzten Tagen des vergangenen Jahres in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau am 26.12.2010 ankündigte, will die Ärztekammer (eine Zwangsgemeinschaft aller deutschen Ärztinnen und Ärzte) ihre Richtlinien zum Thema Sterbehilfe einschneidend verändern (siehe dazu PE 29.12.10).
Demnächst soll in Deutschland nicht mehr als unärztlich gelten, was seit den Zeiten von Hippokrates über Jahrtausende hin eherner ethischer Grundsatz war: Ein Arzt darf nicht töten. Gegen diese Entwicklung protestierten heute Klie und Student in Freiburg scharf. Die beiden Professoren wiesen darauf hin, dass es, sobald die entsprechenden Grundsätze der Bundesärztekammer verabschiedet sind, jedem Arzt frei stehen werde, Menschen auf ihr Verlangen hin eine tödliche Giftdosis zu verschaffen und ihm bei der Einnahme fachkundig zu helfen. Beihilfe zum Suizid nenne sich das juristisch. Straffrei sei dies in der Bundesrepublik seit langer Zeit schon. Aber Ärzten sei aufgrund ihrer besonderen Verantwortung für die ihnen anvertrauten Patientinnen und Patienten auferlegt worden, sich solch einem Verlangen zu widersetzen. Wer es nicht tat, riskierte des Ausschluss aus der Ärzteschaft - bisher.
Das soll nun im neuen Jahr anders werden. Es wird in die Verantwortung des einzelnen Arztes und seiner privaten Moral gelegt werden, einen Patienten auf dessen Wunsch hin zum Tode zu „verhelfen" - oder es nicht zu tun. „Ärztlich assistierter Suizid" wird dies beschönigend genannt. „Ein in vielfacher Hinsicht riskantes Vorhaben", nennen es Student und Klie. „Schweizer Verhältnisse werden wir also künftig auch in Deutschland haben und Vereinigungen wie Dignitas & Co. werden ihr Geschäft weitgehend ungehindert treiben dürfen, wenn sie nur einen willfährigen Arzt finden."
Die beiden Freiburger Palliativfachleute kennen Situationen aus jahrelanger eigener beruflicher Erfahrung, in denen Menschen ernstlich um Hilfe zum Sterben bitten und haben Respekt vor ihnen. Diese warnen gleichwohl eindringlich vor dem standesrechtlichen Türöffner.
Der assistierte Suizid könnte um sich greifen - rechtlich vielleicht in einer Grauzone aber keineswegs verboten, befürchten die beiden Fachleute Klie und Student. Allein der Anteil der unterversorgten Schmerzpatienten in Pflegeheimen liege zwischen 16 und 30%. „Menschenunwürdige Pflegesituationen können den Ruf nach dem Giftbecher provozieren, anstatt differenzierte Schmerztherapie und andere Wege zu einer verbesserten Versorgung auszubauen." meint der Gerontologe Thomas Klie. Von Angst geprägte Bilder von Alzheimererkrankungen und „Pflegefällen" in Heimen, die Sorge anderen zu Last zu fallen, sie bilden den Nährboden für den assistierten Suizid.
Im „Nebenzimmer" des assistierten Suizides – so heute schon in der Schweiz- findet das fachliche und menschliche Ringen um Lebensqualität von Sterbenden und Menschen mit Demenz statt. Es würde durch die standesrechtliche Legalisierung des assistierten Suizides kulturell entwertet werden – davor warnt auch der jüngst von der Bundesregierung entgegengenommene 6. Altenbericht. Es sei mehr als unbedacht, in einer Zeit über die Freigabe des ärztlichen Suizides nachzudenken, in der der Pflegenotstand beschworen werde und eine neue Lebenswertdiskussion aufkomme. „Den Herausforderungen des demographischen Wandels haben wir anders zu begegnen als durch die Lockerungen des Standesrechts", so Klie.
„Zudem", warnt der Psychiater Christoph Student, „wird es künftig auch möglich sein, nicht nur schwerkranken Menschen, sondern auch solchen, die aufgrund ihres seelischen Befindens (z. B. im Rahmen einer psychiatrischen Krankheit) Todeswünsche äußern, den Giftbecher zur Verfügung zu stellen. Und das weithin unkontrolliert." Ähnliches könne dann konsequenterweise auch Menschen in sozialen Krisen möglich gemacht werden: bei schwerwiegenden Verlustkrisen, Ängsten vor Demenz usw. „Eine makabre Vorstellung", findet es Student, „wenn auf diese Weise künftig womöglich ‚Auswege‘ aus der Ausweglosigkeit hoffähig werden."
„Vielleicht werden wir uns schon bald danach sehnen, die niederländische Gesetzeslage auch in Deutschland zu bekommen" befürchten die beiden Professoren. Dort nämlich sei die ärztliche Tötung eines Menschen durch gesetzlich verankerte staatliche Kontrollmechanismen wenigstens der Willkür entzogen.
Gut vorbereitet sei diese Aktion der Bundesärztekammer ohnedies, merken Klie und Student kritisch an. Schon im Sommer 2010 seien von ihr wiederholt Daten veröffentlicht worden, die zeigten, das rund 30 % der deutschen Ärztinnen und Ärzte bereit sein sollen, einem Patienten auf dessen Wunsch hin das Gift zur Selbsttötung „fachkundig" zur Verfügung zu stellen. „Flugs wurde daraus geschlossen, dass man angesichts einer solchen Vielzahl nicht länger auf dem Standpunkt beharren könne, dass Beihilfe zum Suizid als unärztlich zu brandmarken sei", ärgert sich Student und gibt zu bedenken: „Wenn eine qualifizierte Minderheit bereit ist, Unrecht zu tut, wird so auf wundersame Weise daraus Recht? Welch eine Logik!"
Die Bundesärztekammer spricht sich nicht für den assistierten Suizid aus. Gefordert werde vor allem der Ausbau der Palliativmedizin. Bundesärztekammerpräsident Hoppe selbst „schüttelt es bei der Vorstellung, dass ein Arzt beim Suizid hilft", wie er nicht müde wird zu erklären. Aber was ändert das an den standesrechtlichen Rahmenbedingungen, die jetzt geschaffen werden sollen? Die ärztliche Beihilfe zum Suizid soll standesrechtlich möglich werden und künftig ohne Sanktionen durch die Ärztekammer erfolgen können. Welch problematischer Machtzuwachs für einige in der deutschen Ärzteschaft! Und was für eine Veränderung in der Arzt-Patient-Beziehung, wenn Wünsche nach Suizidbeihilfe an die Ärzte adressiert werden können.
Verantwortlich:
Prof. Dr. med. Dr. h. c. Christoph Student
Arzt und Palliativmediziner
Leiter des Deutschen Instituts für Palliative Care
St. Gallener Weg 2,
79189 Bad Krozingen
Telefon: 0 76 33 - 94 89 98 oder
0171 - 9 53 24 27
Prof. Dr. jur. Thomas Klie
Jurist und Gerontologe
Ev. Hochschule Freiburg
Bugginger Str. 38
79114 Freiburg im Breisgau
Telefon: 0761 - 4 78 12-6 96