10.12.2022
Deutscher Juristinnenbund e.V. fordert Abschaffung des § 218
"Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) setzt sich in seinem Policy Paper für eine Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafgesetzbuches (StGB) ein, das sich am reproduktiven Selbstbestimmungsrecht und der körperlichen Integrität schwangerer Personen orientiert." Dies teilte der djb am 08.12.22 in einer Presseaussendung mit.
Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) ist laut Selbstbeschreibung ein unabhängiger frauenpolitischer Verband, in dem sich Juristinnen, Volks- und Betriebswirtinnen zusammengeschlossen haben. Der djb, kritisiert in dem aktuellen Papier "die defizitäre Versorgungslage ungewollt schwangerer Personen in Deutschland und veranschaulicht, wie restriktiv das deutsche Recht im europäischen Vergleich ausfällt." Anlass für das Papier sei die derzeitige internationale Diskussion um die Regulierung von Schwangerschaftsabbrüchen, die durch das Urteil des US-Amerikanischen Supreme Courts Dobbs v. Jackson Women's Health Organization ausgelöst wurde.
Auf nationaler Ebene zeige sich zudem "der Wille der Bundesregierung über eine Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs mit Blick auf eine Stärkung reproduktiver Rechte nachzudenken", wie der Ampel-Koalitionsvertrag zeigt. So ist die Einrichtung einer Kommission geplant, die sich mit einer Regelung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafgesetzbuches befassen soll.
Derzeit stellt das deutsche Recht den Schwangerschaftsabbruch in § 218 StGB grundsätzlich unter Strafe, bleibt jedoch unter bestimmten Bedingungen straffrei. "Eine Regelung des selbstbestimmten Schwangerschaftsabbruchs mit Mitteln des Strafrechts stößt aus heutiger Perspektive auf erhebliche Bedenken. Der djb setzt sich für eine Regelung des selbstbestimmten Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafgesetzbuches ein und plädiert dafür, die §§ 218 ff. aus dem Strafgesetzbuch zu streichen. Stattdessen sieht er eine Fristenlösung im Schwangerschaftsabbruch (SchkG) vor, nach der selbstbestimme Schwangerschaftsabbrüche ausnahmslos bis zur Überlebensfähigkeit des Fötus erlaubt sein sollten", so der Juristinnenbund.
"Der djb schlägt für Schwangerschaftsabbrüche, die gegen oder ohne den Willen der schwangeren Person vorgenommen werden, einen eigenen Tatbestand im StGB vor (etwa in § 226b StGB)", heißt es weiter. Außerdem macht sich der djb für die Verbesserung der Versorgungslage ungewollt schwangerer Personen stark, darunter "die Verankerung eines Rechts auf Beratung statt der momentanen Beratungspflicht und die Übernahme der Kosten für einen Schwangerschaftsabbruch von der gesetzlichen Krankenversicherung." Der Schwangerschaftsabbruch solle nach dem Willen des Deutschen Juristinnenbundes "zum verpflichtenden Programm der medizinischen Ausbildung im Studium sowie der Weiterbildung für die gynäkologische Facharztausbildung" werden.
Eine Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs sei für den djb auch unter Berücksichtigung der neueren verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung angezeigt. "Die strafrechtliche Regelung des Schwangerschaftsabbruchs gegen oder ohne den Willen der schwangeren Person ist dagegen weiterhin geboten", heißt es abschließend.
Scharfe Kritik von der Aktion Lebensrecht für Alle (ALfA) an dem Vorstoß
Scharfe Kritik am Positionspapier „Neues Regelungsmodell für den Schwangerschaftsabbruch“ des Deutschen Juristinnenbundes kam von der Vorsitzenden der Aktion Lebensrecht für Alle (ALfA) e.V., Cornelia Kaminski. „Die Stellungnahme des Deutschen Juristinnenbundes ist eine moralische Bankrotterklärung und eine intellektuelle Zumutung. Es gibt kein Recht auf die Tötung eines wehrlosen und unschuldigen Menschen“, erklärte Kaminski in einer Pressemitteilung vom 09.12.22.
„Strafbar sollen nach Ansicht des Juristinnenbundes künftig nur noch Abtreibungen sein, die gegen den Willen der betroffenen Frau durchgeführt werden. Alle übrigen sollen ohne jede Indikation bis zur 25. Schwangerschaftswoche durchgeführt werden können. Das bedeutet eine Verdopplung der Frist für die derzeit nach der Beratungsregelung durchgeführten Abtreibungen und beträfe folglich regelmäßig auch vollständig entwickelte Kinder, von denen einige auch bereits außerhalb des Mutterleibes überlebensfähig wären. Doch selbst danach sollen Frauen, die dennoch einen Arzt mit der Tötung ihres Kindes beauftragen, „straf- und sanktionslos“ bleiben“, erläuterte die ALfA-Vorsitzende.
Doch damit sei es nicht genug: „Für Schwangere sollen Abtreibungen jedweder Art zudem kostenfrei werden. Für die Kosten vorgeburtlicher Kindstötungen soll stattdessen die Solidargemeinschaft der Krankenversicherten aufkommen. Womit das Unrecht, welches die Tötung eines unschuldigen und wehrlosen Menschen darstellt, gewissermaßen sozialisiert würde. Krankenhäuser, die sich weigern, Abtreibungen anzubieten, sollen hierzu gesetzlich verpflichtet und bei Beharren aus dem Landeskrankenhausplan entlassen werden. Die Bereitschaft, Tötungshandlungen an wehrlosen und unschuldigen Mitpatienten vorzunehmen, soll zur Einstellungsvoraussetzung für medizinisches Personal gemacht werden. Medizinstudenten sollen bereits im Rahmen ihres Studiums die Durchführung vorgeburtlicher Kindstötung erlernen“, fasste Kaminski das Papier zusammen.
Begründet werden diese Forderungen „mit dreisten Falschbehauptungen und erstaunlichen Denkfehlern“: So habe die Weltbevölkerungskonferenz von Kairo (1994) eben ausdrücklich kein Recht auf Abtreibungen vorgesehen, sondern im Gegenteil die Unterzeichner ausdrücklich verpflichtet, Abtreibung nicht als Methode der Familienplanung zu fördern. Stattdessen hätten die Regierungen geeignete Maßnahmen zu treffen, Frauen dabei zu helfen, von einer Abtreibung abzusehen (Punkt 7.24).
Zudem gebe es eben keine mangelhafte Versorgung mit Abtreibungseinrichtungen, wie eine datenbasierte Analyse der Charité (Berlin) festgestellt habe. Außerdem mache es „keinerlei Sinn zukünftigen Orthopäden, Psychiatern, Anästhesisten etc. im Studium das Handwerk vorgeburtlicher Kindstötungen beizubringen.“ Auch existiere gerade keine gesellschaftliche „Stigmatisierung“ von Abtreibungsärzten: „Keine Ärztin ist in den letzten Jahren öffentlich mehr geehrt und medial gefeiert worden als die Ikone der deutschen Abtreibungslobby, Kristina Hänel“, so Kaminski.
„Nur der Schutz des Rechts auf Leben ermöglicht Personen, die Ausübung anderer Rechte. Das gilt auch für das Recht auf Selbstbestimmung, das überdies nicht erst geltend gemacht werden kann, wenn ein Schwangerschaftstest anders als erhofft ausfällt. Es ist daher absurd, wenn der Deutsche Juristinnenbund behauptet, die vom Bundesverfassungsgericht entwickelte „Pflicht zur Austragung“ eines ungeborenen Kindes messe dem (reproduktiven) Selbstbestimmungsrecht der „schwangeren Person“ keinen echten Stellenwert bei“, kritisierte sie.
„Wo dieses nicht rechtzeitig – d.h. vor der Zeugung eines weiteren, einmaligen und daher einzigartigen Menschen – zur Geltung gebracht wurde, lässt es sich nicht nachträglich gegen das Recht einer unschuldigen und wehrlosen Person, nicht getötet zu werden, in Anschlag bringen.“
„Der Deutsche Juristinnenbund scheint sich „schwangere Personen“ als Wesen vorzustellen, die bar jeder Verantwortung für die manifesten Folgen des eigenen Handelns, grenzenlose Ansprüche an Staat und Gesellschaft zu stellen berechtigt sind, einschließlich so perverser wie der flächendeckenden Ermöglichung der vorgeburtlichen Tötung wehrloser und unschuldiger Kinder und deren Finanzierung. Da drängt sich der Gedanke, das irgendwas bei der Erziehung dieser Juristinnen falsch gelaufen sein muss, geradezu von selbst auf“, so die ALfA-Vorsitzende abschließend.
Weitere Informationen:
Policy Paper: Neues Regelungsmodell für den Schwangerschaftsabbruch
Deutscher Jursitinnenbund (djb), 08.12.22