06.07.2023
CDL: Suizidprävention siegt im Bundestag
Zur großen Überraschung vieler hat der Bundestag heute in einer bedeutenden Grundsatz-Debatte beide vorgelegten Gesetzentwürfe zur rechtlichen Regelung der Suizidbeihilfe abgelehnt. „Wir sind zutiefst erleichtert, da beide Gesetzentwürfe die liberalste Regelung der Sterbehilfe weltweit darstellen würde“, kommentieren für die CDL die ehemalige Bundesvorsitzende der Christdemokraten für das Leben, Mechthild Löhr und Odila Carbanje als stellv. Bundesvorsitzende.
Nachdem bereits der restriktivere Antrag von Dr. Lars Castellucci und Ansgar Heveling mit 363 Gegenstimmen abgelehnt wurde, fiel auch mit einer erfreulich deutlichen Mehrheit von 375 Stimmen der die Suizidhilfe gänzlich straffrei regelnde Entwurf von Katrin Helling-Plahr und Renate Künast durch und wurde nur von 287 Abgeordneten unterstützt.
Mit seiner Entscheidung vom 26. Februar 2020 hatte das Bundesverfassungsgericht erstmals in der Rechtsgeschichte einen vermeintlichen generellen Rechtsanspruch für alle Bürger über 18 Jahren auf ärztlich assistierten Suizid etabliert, was einen fundamentalen Kulturbruch mit der bisherigen Strafbewährung von Suizidbeihilfe bedeutete. Damit fühlte sich der Bundestag unter Zugzwang gesetzt, einen möglichst niedrigschwelligen Zugang zur Suizidbeihilfe zu schaffen und den ärztlich assistierten Suizid jederzeit zu ermöglichen. Die schwerwiegende Coronakrise hatte die öffentliche Debatte um das Anbieten geschäftsmäßiger und ärztlichen Sterbehilfe weitgehend zum Erliegen gebracht.
Die nunmehr vorgelegten Entwürfe sahen in unterschiedlicher Weise die Entwicklung einer staatlich geförderten Infrastruktur zur Begleitung und Umsetzung des Suizidwunsches vor. Während sich der Antrag Helling-Plahr/Künast zum Wortführer der Sterbehilfevereine machte und ihnen und den Ärzten generell eine Mitwirkung der jederzeit zur Verfügung stehenden Suizidbeihilfe garantieren wollte, hat der Gesetzentwurf Castellucci seinen Schwerpunkt darauf gelegt, die Hürden zu einem schnellen, aktiv unterstützten Suizid deutlich höher zu legen. Die Abgeordnete Künast stellte klar, dass es ihrer Gruppe ausdrücklich darum ging, eine freie Regelung zu schaffen: „die die Menschen auch nutzen können“. Einer ergebnisoffenen oder geschäftsmäßigen Begleitung und aktiver Sterbebeihilfe von Suizidwilligen setzten leider beide Entwürfe keine Grenze.
Beide Entwürfe sind im Vorfeld auf Bundes- und Landesebene von Ärzte- und Fachverbänden heftig kritisiert und abgelehnt worden; insbesondere auch von der Fachärzteschaft und Präventionsspezialisten, die sich keinesfalls zu Erfüllungsgehilfen eines staatlichen Suizidbeihilfeauftrages machen lassen wollten. Beiden jetzt abgelehnten Anträgen ist gemeinsam, dass nicht Leiden oder eine Krankheit, sondern nur die beiden Kriterien Volljährigkeit und eine ärztlich bestätigte Willensfreiheit ausreichend für die aktive Suizidassistenz sein sollten.
Viele Bundestagsabgeordneten zeigten durch die Ablehnung beider Gesetzentwürfe, dass sie darin eine Gefahr der Ausweitung der Suizidangebote und eine staatliche Förderung der Suizidwillens befürchteten. Wie seitens der Christdemokraten für das Leben und vieler anderer Kritiker im Vorfeld vorgebrachten Warnungen beinhaltet ein straffreies öffentliches Suizidangebot vor allem für vulnerable Personenkreise und sozial Unterstützungsbedürftige, Einsame oder chronisch Kranke ein besonders hohes Gefährdungspotenzial. Da schon heute in der Beratung, Betreuung und Pflege viele Kapazitäten zu einer angemessenen Unterstützung fehlen, wirkte ein liberales Suizidhilfegesetz quasi wie eine Aufforderung, anderen Menschen und der Gesellschaft doch möglichst nicht weiter zur Last zu fallen. Angesichts von derzeit fast 10.000 Suiziden jährlich brauchen wir sehr wohl die nun beschlossene Suizidpräventionsförderung, nicht aber eine Suizidförderung. Jeder Suizid ist eine Katastrophe, denn jedes Leben ist wertvoll und muss positiv begleitet werden bis zu seinem natürlichen Ende.
Zu hoffen ist, dass nun die Forderungen gerade aus der Ärzteschaft und den Sozialverbänden nach einer umfassenden Präventionsstrategie aufgegriffen werden und der Bundestag mit lebensschützenden statt suizidfördernden Maßnahmen reagiert.
So bleibt es zurzeit dabei, dass jede aktive Unterstützung bei einem Suizid im Zweifelsfall auch juristisch überprüft werden kann, damit garantiert der Staat wenigstens noch einen minimalen Schutz für jeden Einzelfall.
Für den heutigen Tag ist jedenfalls festzuhalten, dass der Bundestag einen Höhepunkt des Ausdrucks der Gewissensfreiheit jedes Abgeordneten erlebt hat, was unsere Demokratie stärkt.
Weitere Informationen:
Abgelehnt: Bundestag gegen alle Gesetzentwürfe zur Neuregelung der Suizidhilfe
CDL-Meldung 06.07.23