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19.11.2014

Bundessozialgericht: Richtungsweisende Urteile zu Kostenerstattung für PID und künstliche Befruchtung bei unverheirateten Paaren

Am 18.11.14 fällte das Bundessozialgericht in Kassel zwei richtungsweisende Urteile im Zusammenhang mit künstlichen Befruchtungen. Das erste Urteil betrifft die Kostenerstattung durch die Kassen für eine Präimplantationsdiagnostik (PID), das andere Urteil die Kostenerstattung der Krankenkassen für eine künstliche Befruchtung bei unverheirateten Paaren. Beides wurde durch das Gericht abgelehnt.

Im ersten Fall hatte laut Pressemitteilung des Gerichts ein Mann mit einem Gendefekt, der eine vererbbare, das Gehirn betreffende Gefäßerkrankung (CADASIL) mit schweren Verläufen bis hin zur Demenz verursacht, seine Krankenkasse auf die Kostenübernahme für eine Präimplantationsdiagnostik verklagt. Er und seine Ehefrau wollten vermeiden, dass gemeinsame Kinder Träger des Gendefekts werden. Deswegen entschlossen sie sich zur künstlichen Befruchtung (IVF), um vom Gendefekt betroffene Eizellen durch die erst in diesem Stadium mögliche Präimplantationsdiagnostik (PID) feststellen zu lassen und vom intrauterinen Embryonentransfer auszuschließen.

Der 1. Senat des Bundessozialgerichts hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Die beklagte Krankenkasse und die Vorinstanzen haben zu Recht einen Anspruch des Klägers verneint. Die PID-IVF-Behandlung ist nach Ansicht der Richter keine Krankenbehandlung im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). "Durch die PID-IVF soll beim Kläger keine Funktionsbeeinträchtigung erkannt, geheilt, gelindert oder ihre Verschlimmerung verhütet werden. Die bei ihm vorliegende Erbkrankheit CADASIL wird mit PID-IVF nicht behandelt. Die künstliche Erzeugung von Embryonen und deren Bewertung mittels PID vor der Herbeiführung der Schwangerschaft ermöglicht die Verwerfung solcher Embryonen, die Träger einer schwerwiegenden Erbkrankheit sind. Die PID-IVF dient damit der Vermeidung zukünftigen Leidens eines eigenständigen Lebewesens, nicht aber der Behandlung eines vorhandenen Leidens bei den diese Leistung begehrenden Eltern", teilte das Gericht mit.

Der Kläger habe mangels Fertilisationsstörung bei ihm oder seiner Ehefrau auch keinen (Teil-)Anspruch auf Leistungen zur künstlichen Befruchtung. Ein weitergehender Anspruch ergebe sich auch nicht aus verfassungskonformer Auslegung. Der Kläger kann daher auch keine Erstattung von 21 099,35 Euro für zwei im Jahr 2012 in Belgien durchgeführte PID-IVF-Behandlungszyklen beanspruchen. Europäisches Gemeinschaftsrecht und deutsches Recht setzen hierfür voraus, dass ein entsprechender Leistungsanspruch im Inland bestünde. Daran fehlte es auch deshalb, weil die zwingend erforderliche zustimmende Bewertung einer Ethikkommission nach dem Embryonenschutzgesetz erst ab Februar 2014 auf gesetzlicher Grundlage möglich ist. Die Kosten der vor der Leistungsablehnung im Inland selbst verschafften Maßnahmen (478,96 Euro) beruhen zudem nicht auf der Leistungsverweigerung.

Hubert Hüppe, MdB CDUDer stellvertretende Bundesvorsitzende der Christdemokraten für das Leben (CDL) und ehemaliger Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Hubert Hüppe, begrüßte die Entscheidung des Bundessozialgerichts, dass Präimplantationsdiagnostik (PID) keine Kassenleistung ist, ausdrücklich.

"In ethischer Hinsicht ist PID abzulehnen, da es sich um eine Selektionsmethode handelt, die Menschen mit Behinderungen diskriminiert. Im Rahmen von PID werden Embryonen - bei in der Regel fortpflanzungsfähigen Paaren - nur deshalb außerhalb des Mutterleibes durch künstliche Befruchtung erzeugt, um sie für die Selektion auf Basis eines Gentests verfügbar zu haben. PID verfolgt nicht das Ziel, Krankheit oder Behinderung des Embryos zu heilen oder zu lindern", erklärte Hüppe in einer Presseaussendung. "Es ist gut, dass das Bundessozialgericht dies erkannt hat und die Gemeinschaft der Beitragszahler in der gesetzlichen Krankenversicherung PID nicht mitfinanzieren müssen."

Keine Kostenübernahme durch Krankenkassen für künstliche Befruchtung für unverheiratete Paare

Ein am selben Tag vom Bundessozialgericht gefälltes weitere Urteil betraf die Kostenübernahme einer künstlichen Befruchtung für  unverheiratete Paare.

Konkret ging es darum, dass der Verwaltungsrat der Klägerin, einer geöffneten BKK, u.a. als Nachtrag zur Satzung, der am 1.5.2012 in Kraft treten sollte, beschlossen hatte, dass im Hinblick auf eine Kostenübernahme bei künstlicher Befruchtung die BKK zusätzlich 75 % der mit dem Behandlungsplan genehmigten Kosten der Maßnahmen bei versicherten Paaren in auf Dauer angelegter Lebensgemeinschaft übernimmt. Die beklagte Bundesrepublik Deutschland lehnte es ab, diesen Nachtrag zu genehmigen. Die Klägerin vertrat dagegen die Auffassung, die Satzungsänderung sei zulässig. Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hat die Klage mit Verweis darauf abgewiesen, dass die Ermächtigungsgrundlage es nicht erlaube, von den gesetzlichen Voraussetzungen der Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung abzuweichen.

Das Bundessozialgericht wies die Revision der Krankenkasse ab. Wie die Richter ausführten, lehnte es die beklagte Bundesrepublik Deutschland rechtmäßig ab, die Satzungsänderung zu genehmigen, die eine Kostenübernahme für künstliche Befruchtung bei versicherten Paaren in auf Dauer angelegter Lebensgemeinschaft vorsieht. Das Gesetz ermächtige lediglich zu "zusätzlichen" Leistungen kraft Satzung, zum Beispiel zur Übernahme von nicht nur 50 Prozent sondern 75 Prozent der notwendigen Kosten. Die Satzung sollte dagegen gesetzesfremde Leistungen ermöglichen.

"Die Begrenzung auf miteinander verheiratete Eheleute und eine homologe Insemination prägt den gesetzlichen Anspruch auf künstliche Befruchtung. Ihm liegt verfassungskonform die Ehe als rechtlich verfasste Paarbeziehung von Mann und Frau zugrunde, in der gegenseitige Solidarität nicht nur faktisch gelebt wird, solange es gefällt, sondern rechtlich eingefordert werden kann. Das Gesetz durfte die Ehe als eine Lebensbasis für ein Kind ansehen, die den Kindeswohlbelangen mehr Rechnung trägt als eine nichteheliche Partnerschaft. Hiervon weicht die betroffene Satzungsregelung grundlegend ab", heißt es im Terminbericht zur Verhandlung.

Marcus Weinberg, MdB CDUDer familienpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Marcus Weinberg zeigte sich erfreut über die höchstrichterliche Entscheidung. "Wir begrüßen das Urteil des Bundessozialgerichts. Der gesetzliche Anspruch auf Bezahlung einer künstlichen Befruchtung ist zu Recht auf miteinander verheiratete Eheleute begrenzt", erklärte Weinberg in einer Pressemitteilung vom 18.11.14. Es sei im Interesse von Kindern, in einer stabilen Partnerschaft aufzuwachsen.

"Mit dem Institut der Ehe schützt und fördert der Staat die rechtliche Verbindlichkeit einer Partnerschaft. Aufgrund dieses auch verfassungsrechtlich garantierten Schutzgedankens können die besonderen Privilegien, die Verheirateten zugestehen, gerechtfertigt werden. Hierzu gehört nicht nur die Begrenzung auf Eheleute beim gesetzlichen Anspruch auf künstliche Befruchtung, sondern auch beim gesetzlichen Anspruch auf Familienversicherung", so der Unionsabgeordnete.