05.01.2021
Bundesgerichtshof bestätigt Urteil gegen zwei Berliner Gynäkologen wegen gemeinschaftlichen Totschlags eines lebensfähigen, aber schwer geschädigten Zwillings
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 04.01.2021 das Urteil gegen zwei Berliner Gynäkologen wegen gemeinschaftlichen Totschlags eines lebensfähigen, aber schwer geschädigten Zwillings bestätigt. Der BGH lässt aber die zur Bewährung ausgesetzten Strafen neu verhandeln. Dies teilte das Gericht in einer Presseaussendung mit und berichtete das Aerzteblatt online.
Wie der BGH zum Prozess ausführte, ging es um eine Frau, die 2010 mit mit Zwillingen schwanger war. Während der Schwangerschaft entwickelten sich Komplikationen. In deren Folge erlitt ein Zwilling schwere Hirnschäden, während sich der andere überwiegend normal entwickelte. Nach Beratung wurde die Indikation für einen Schwangerschaftsabbruch bezüglich des geschädigten Zwillings nach § 218a Abs. 2 StGB gestellt. Ein solcher Abbruch kann bei entsprechender Indikation straffrei bis zur Geburt vorgenommen werden. Dieser spezielle Eingriff (selektiver Fetozid) ist aber mit Risiken für den anderen Zwilling verbunden. Er sei zur Tatzeit 2010 nur von sehr wenigen spezialisierten Kliniken mittels einer besonderen Methode durchgeführt worden. Die Mutter wollte den Abbruch vornehmen lassen, fühlte sich in der von ihr aufgesuchten Spezialklinik aber nicht gut betreut.
Sie wandte sich schließlich an die Angeklagte. Diese war als leitende Oberärztin in einer von dem Mitangeklagten geleiteten Klinik für Geburtsmedizin tätig. Das zu dieser Zeit gebräuchliche Verfahren zum selektiven Abbruch einer Zwillingsschwangerschaft wurde dort nicht angewendet. Stattdessen entwickelte die Angeklagte in Einvernehmen mit dem Mitangeklagten und der Mutter den Plan, mittels Kaiserschnitt zunächst das gesunde Kind zu entbinden und im unmittelbaren Anschluss daran den schwer geschädigten Zwilling zu töten.
Nachdem sich bei der Mutter Wehen eingestellt hatten, gingen beide Angeklagte wie geplant vor und töteten nach Entbindung des gesunden Zwillings den lebensfähigen, aber schwer hirngeschädigten verbleibenden Zwilling durch Injektion einer Kaliumchlorid-Lösung. Dabei war ihnen bewusst, dass sie sich über geltendes Recht hinwegsetzen und einen Menschen töten würden. Erst mehrere Jahre später wurde die Staatsanwaltschaft durch eine anonyme Anzeige auf das Geschehen aufmerksam.
Weitere Informationen:
Bundesgerichtshof bestätigt Schuldspruch gegen zwei Frauenärzte
Aerzteblatt.de 04.01.21
Geplante Kindstötung: Ein unerträgliches Urteil
Der BGH bestätigt den gemeinschaftlichen Totschlags zweier Berliner Gynäkologen, lässt aber die zur Bewährung ausgesetzten Strafen neu verhandeln.
Kommentar von Stefan rehder
DIE TAGESPOST 05.01.21
20.11.2019: Urteil im Prozess um bei Geburt getöteten Zwilling: Bewährungsstrafen für Frauenärzte