09.11.2015
Beispielloser Wertebruch in der deutschen Nachkriegsgeschichte
Pressemitteilung Arbeitsbündnis „Kein assistierter Suizid in Deutschland!“ Köln. Es ist erschütternd, dass am 06.11.2015 – 70 Jahre nach Kriegsende – der Deutsche Bundestag dem Gesetzentwurf des Abgeordneten Brand zugestimmt hat, der Ärzten die Möglichkeit gibt, „über das Ende von Leben zu entscheiden.“(1) Dieses Gesetz dürfte nach einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages verfassungswidrig sein. Es widerspricht zutiefst dem ärztlichen Ethos, sich nicht an der Tötung oder Selbsttötung eines Menschen zu beteiligen, und der Menschlichkeit eines jeden.
Der Öffentlichkeit wurde in den letzten Monaten suggeriert, es läge dem Gesetzentwurf des Abgeordneten Brand lediglich die Absicht zu Grunde, die Gesetzgebung zum assistierten Suizid zu verschärfen. Dabei wurde betont, dass die gewerbsmäßige Beihilfe zum Suizid strafbewehrt verboten werden soll. Dies ist jedoch nur die halbe Wahrheit.
Der zweite Teil des Gesetztes wurde in den Medien meist verschwiegen: Gerade diejenigen Menschen, die nach unserem geltenden Recht eine Garantenpflicht zum Lebensschutz haben, d. h. Angehörige und Nahestehende – auch der Arzt – werden ausdrücklich straffrei gestellt, wo bisher eine strafrechtliche Normierung fehlte. Der Abgeordnete René Röspel (SPD) sagte im Bundestag: „Sie (die Ärzte, Anmerk. d. Verf.) müssen über das Ende von Leben entscheiden, sie müssen loslassen und am Ende vielleicht sagen: Ja, jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, an dem ich Hilfe gebe, damit ein anderer sich selbst vielleicht umbringen kann.“(2)
Dem assistierten Suizid geht immer voraus, dass ein Menschenleben von Dritten als lebensunwert beurteilt wird. Damit wird die Grenze zur Euthanasie überschritten. Es ist wichtig zu erkennen, dass die Haltung gegenüber unheilbar Kranken – nämlich, dass es Zustände gebe, die als nicht mehr lebenswert zu betrachten sind – der winzige Auslöser für das Euthanasieprogramm der Nazis war.(3)
Seit 1945 ist es in Deutschland Konsens, dass es kein lebensunwertes Leben gibt. „Die Humanität gebietet die Achtung vor dem Bild des Menschen auch in seiner beschädigten Erscheinung.“(4) Folgerichtig ist in Deutschland Tötung auf Verlangen strafbewehrt verboten (§216 StGB).
Die Zustimmung des Deutschen Bundestages zum Gesetzentwurf des Abgeordneten Brand, das assistierten Suizid rechtlich explizit zulässt, ist ein beispielloser Wertebruch in der deutschen Nachkriegsgeschichte.
Kontakt:
Arbeitsbündnis „Kein assistierter Suizid in Deutschland!“
Dr. med. Susanne Ley
Postfach 68 02 75, 50705 Köln
E-Mail: arbeitsbuendnis@kein-assistierter-suizid.de
Website: www.kein-assistierter-suizid.de
Quellen:
1) Plenarprotokoll 18/115, Deutscher Bundestag, Stenographischer Bericht, 115. Sitzung, Berlin, den 2. Juli 2015, Seite 11063
2) Plenarprotokoll 18/115, Deutscher Bundestag, Stenographischer Bericht, 115. Sitzung, Berlin, den 2. Juli 2015, Seite 11063
3) Vergl.: Töten oder Sterben lassen, Robert Spaemann/ Thomas Fuchs, Herder 1997
4) Nazipsychiatrie, Uwe Henrik Peters, ANA Publishers, Köln 2011, Seite 188