27.12.2016
Arbeitsbündnis „Kein assistierter Suizid in Deutschland!“ reicht Verfassungsbeschwerde gegen § 217 StGB ein
Das Arbeitsbündnis „Kein assistierter Suizid in Deutschland!“ hat im Dezember 2016 eine Verfassungsbeschwerde gegen den neuen § 217 StGB initiiert und mit Hilfe des renommierten Verfassungsrechtlers Dr. Christoph Partsch aus Berlin eingereicht. Dies teilte das Bündnis am 17.12.16 in einer Presseaussendung mit.
Das Arbeitsbündnis ist ein Verbund von Bürgern aus der Mitte der Gesellschaft, in dem Ärzte, Juristen, Pädagogen, Philosophen, Ökonomen und Angehörige von Pflegeberufen vertreten sind. Aus Besorgnis über drei der vier Entwürfe des im Vorjahr laufenden Gesetzgebungsverfahrens zum assistierten Suizid verfassten sie unter anderem eine gemeinsame Erklärung, die in der FAZ am 27.6.2015 veröffentlicht wurde.
Nach dem Inkrafttreten des neuen § 217 StGB wurde die jetzige Verfassungsbeschwerde fristgerecht am 2. Dezember 2016 beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht; sie erhielt das Aktenzeichen 2BvR2492/16. Die Beschwerdeführer sind mehrheitlich Ärzte und Wissenschaftler: Prof. Dr. med. Dr. h.c. Uwe Henrik Peters, Prof. Dr. med. Dr. phil. Klaus Dörner, Prof. Dr. phil. Dr. med. habil. Armin Schmidtke, Dipl. soz. päd. Helga Ebel, Prof. Dr. med. Axel W. Bauer, Dr. med. Susanne Hörnemann, Prof. Dr. med. Paul Cullen, Dr. med. Angela Spelsberg und Dr. med. Susanne Ley.
Die Beschwerdeführer wenden sich gegen den neuen § 217 StGB, das sogenannte „Gesetz zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung“ vom 9. Dezember 2015, das in Absatz 2 Angehörige und Nahestehende ausdrücklich straffrei stellt, wenn sie Beihilfe zum Suizid leisten oder selbst Teilnehmer einer geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe sind. Aufgrund dieser Straffreistellung sei zu erwarten, dass sowohl die gesellschaftliche Akzeptanz des Suizids als auch der Suizidbeihilfe und damit die Zahl der Suizidtoten ansteigen werden.
Die Beschwerdeführer befürchten einen Eingriff in das Recht auf freie Berufsausübung gemäß Artikel 12 GG, da der § 217 StGB das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient zerstöre. Es müsse klar bleiben, dass der Arzt Beschützer des Lebens ist, er dürfe nicht zur Gefahr für das Leben seiner Patienten werden.
Die Beschwerdeführer tragen weiterhin eine Verletzung der durch Artikel 4 GG geschützten Gewissensfreiheit vor, weil die durch das Gesetz geförderte Akzeptanz des assistierten Suizids den Arzt zur Abkehr von dem seit 2400 Jahren respektierten ärztlichen Ethos in der Hippokratischen Tradition führe, den kranken Menschen zu heilen oder, wo dies nicht möglich ist, sein Leiden zu lindern.
Die Beschwerdeführer sind, ausgehend vom aktuellen medizinisch-psychiatrischen Verständnis von Suizidalität, der Ansicht, Suizidalität sei in den allermeisten Fällen Symptom einer psychischen Erkrankung beziehungsweise mit einer psychosozialen Krise verknüpft. Daher sei der Wille des suizidalen Menschen nicht im positiven Sinne des Wortes „frei“; vielmehr müsse der Betroffene sowohl vor einer Kurzschlusshandlung als auch vor Handlungen Dritter, nämlich denen der Sterbehelfer, geschützt werden. Hier bestehe eine Schutzpflicht des Staates. Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 GG schütze das Recht auf Leben. Der Schutz des Lebens werde durch den § 217 StGB nicht gestärkt, sondern im Gegenteil gefährdet.
Weitere Informationen:
Schon ein Dutzend Verfassungsbeschwerden zur Suizidbeihilfe
AERZTEBLATT.DE 19.12.16